Junge Welt,
19.März 2003
Sheriffsterntaler DAF wie Deutsch-Amerikanische Feindschaft: Zwei Elektropioniere gegen die Hegemonialmacht Wer »Unvergleichbares« gleichsetzt, erregt Aufsehen. 1979 wußten das die Elektropioniere Robert Görl (RG) und Gabi Delgado (GD). Sie nannten sich DAF wie Deutsch-Amerikanische Freundschaft. Das Akronym stand in der Nazizeit für »Deutsche Arbeitsfront« (die NS-Pflichtgewerkschaft unter der Leitung Robert Leys, 1938 mit 23 Millionen Mitgliedern die größte NS-Massenorganisation). 1981 veröffentlichten sie »Tanz den Mussolini«, einen Song zur Austauschbarkeit von Ideologiefragmenten: »Beweg deinen Hintern, tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler, tanz den Jesus Christus«. Auch musikalisch vereinten DAF so Gegensätzliches wie Punk – die Absage ans Industrielle – und Elektro. Mit ihren Rhythmen aus dem Korg-Synthesizer, ergänzt um Delgados fragmentarischen Sprechgesang und Görls monotone Schlagzeugtakte, waren DAF Wegbereiter für Techno, EBM, House. Bald nach dem Mussolini-Hit lösten sie sich auf. Bis heute machten sie lediglich musikalische Teilzeitjobs, Delgado hieß mal Spanish Fly, mal Delboy, 1995 inszenierte er mit Wotan Wilke DAF/DOS, eine DAF-typische Stilvariante, um Robert Görl dagegen blieb es ruhig. Nach 20jähriger Pause melden sie sich nun mit einer neuen LP zurück: »15 neue DAF-Lieder«. Musikalisch sind DAF ganz die Alten, nur machen sie heute klare politische Aussagen, beziehen u.a. präzis Stellung gegen Bushs Hegemonialstreben. F: Wollt ihr jetzt, wo es euer NDW/Punk-Kommilitone Peter Hein mit den Fehlfarben vorgemacht hat, ein Stück erfolgreiche Jugend zurückholen? RG: An Peter Hein knüpfen wir sicher nicht an. Wir hatten unser DAF-Comeback auch schon vor ihm, 1999. DAF hat nichts mit Fehlfarben zu tun, wir steckten bloß immer in derselben NDW-Schublade. GD: Wir hatten einfach Lust, gemeinsam ein Projekt zu starten, sind deswegen aber keine Nostalgiker. F: Musikalisch ist alles beim alten geblieben. Eure Texte allerdings sind stringenter. Wolltet ihr Mißverständnisse vermeiden, wie sie der Song »Tanz den Mussolini« provoziert hat? GD: Ja, wir wollten klar Stellung beziehen. Dieses Diffuse ist oft von der falschen Klientel übernommen worden. Früher war es mutig, Diffuses von sich zu geben, mit dem Feuer zu spielen und sich wieder zurückzuziehen. Heute ist das feige. F: »Tanz den Mussolini« sollte die Austauschbarkeit von Ideologiefragmenten zum Ausdruck bringen. Seit dieser Zeit haben sich sämtliche Musikstile mit unterschiedlichsten Weltanschauungen ausdifferenziert und können – so der Rechtsextremismusforscher Bernd Wagner – auch mit rechten Stilen »koexistieren«. Hattet Ihr diese Entwicklung damals im Blick? RG: Gespürt haben wir das schon. GD: Provokationen wie das Hakenkreuz auf einem T-Shirt waren extrem reizvoll. Das Anarcho-A wurde mit einem RAF-Schriftzug und dem Hakenkreuz kombiniert. Alles war austauschbar. Mit der heutigen Zeit kann das nicht verglichen werden. F: Erschreckt euch, daß Neonazis heute zu EBM tanzen und Gothik-Partys, auf denen Laibach gespielt wird, in den Programmhinweisen der NPD-Zeitung Deutsche Stimme auftauchen? GD: Ist das so? Da müßten Laibach aber mal reagieren. RG: Ja, man sollte immer wieder Stellung beziehen – haben wir auch gemacht. F: Die neue LP beginnt mit »Der Sheriff« recht antiamerikanisch... RG: Man kann das Lied nicht nur auf Bush beziehen. Der Song ist genaugenommen ein Anti-Gewaltmonopol-Lied. »Der Sheriff« kann auch woanders sein, überall. GD: Der Song ist zunächst völlig unabhängig von der Bush-Administration entstanden. Doch in unserer westlichen Gesellschaft ist der Sheriff ein amerikanischer. Man müßte also McDonald’s verbieten und Hollywoodfilme auf 20 Prozent quotieren. F: Diese Art Antiamerikanismus hat qua Antiglobalisierungsbewegung zu einer Repolitisierung auf internationalem Niveau geführt. Auch Rezipienten der 80er Retroszene wie Mize von Mia meinen, daß sich die heutige Jugend stärker politisiert. Wie seht ihr das? GD: Ich sehe das ähnlich. Ich denke, daß es wieder einen größeren Wunsch nach Inhalten gibt. Man will nicht mehr »la, la, la, flying in the sky« hören. Das hatte man die letzten zehn Jahre. F: Ist der
Hedonismus also am Ende?
F: Euer Song »Der Präsident« ist eine Kritik am Konsumverhalten der ersten Welt. Auch ihr verdient in ihr eure Brötchen. Spielte der Gedanke ans Geldverdienen bei der neuen LP keine Rolle? RG: Aus Profitgier ist sie auf keinen Fall entstanden, mehr nach dem Lustprinzip. Wir fühlten, daß wir wieder etwas machen sollten. GD: Wenn man Geld will, sollte man keine Umwege machen, sondern konsequent mit einer Knarre in die Bank rennen. Vorrangig für Geld würde ich keine Musik machen. F: »Wenn der Sheriff reiten geht, reiten alle mit«, heißt es im ersten Lied. Ein Irak-Krieg steht bevor. Ließ er sich eurer Meinung nach verhindern? GD: Wenn der Sheriff wild entschlossen ist, wird es Krieg geben. Wenn nicht gleich, dann später. * DAF: »15 neue DAF-Lieder« (Superstar/Universal), Tour: 7.4. Columbiahalle, Berlin; 9.4. Große Freiheit, Hamburg; 10.4. Stahlwerk, Düsseldorf; 11.4. Elserhalle, München Dieser Artikel
erschien in der Printausgabe der "Junge Welt" und ist auf deren Online-Archiv
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