London Tour 2006
(
09.2006 )
Seit fast fünfzehn
Jahren war ich nicht mehr in London und nun gab es für mich gleich
drei Konzerte in einer Woche in der englischen Metropole zu besuchen. Innerhalb
von sieben Tagen sollte Robert Görll (der ebenfalls über ein
Jahrzehnt keinen Fuß auf Londoner Boden gesetzt hat) in London live
auftreten. Ich war gespannt. Zum einen auf ein Wiedersehen mit London,
zum anderen auf Robert Görls Gigs, in denen er Teile seines gerade
fertiggestellten Albums spielen wollte.
Kaum in London
angekommen, bemerkte ich sofort einige Veränderungen des Stadtbildes
und der kulturellen Gewohnheiten. Die für seine Teekultur bekannte
Londoner Bevölkerung hat seine Tee-Lokalitäten gegen Starbucks-Cafes
eingetauscht. Diese sieht man nun geradezu an jeder Ecke.
Robert Görls
Lieblingskneipe war vor 25 Jahren - als er einige Zeit in London lebte-
ein kleines, unscheinbares und recht unübliches Cappuccini-Cafe in
der Nähe vom Picadilly Circus. Als hätte er damals den englischen
Trend zum Cafe vorausgeahnt! Nicht nur der weitverbreitete Teekonsum, auch
die manche Gegenden kennzeichnende Underground-Atmosphäre der 80er
Jahre scheint sich verflüchtigt zu haben. So mußten unter anderem
einige der charmanten Klamotten-Läden, wie z.B. auf der Kensinghton
High Street nun doch eher grossen Designer-Ketten weichen.
Wie auch immer
- kaum einen Tag in London, machte ich mich auf den Weg zum ersten Konzert
von Robert Görl, das in einem Club Namens "Being Boiled" stattfand.
Der Club war geradezu überfüllt und von auffällig guter
Stimmung geprägt. Mehrere englische Bands heizten die Stimmung an
und bis zum Beginn von Robert Görls Gig gegen Mitternacht konnte
die Atmosphäre unter dem Publikum nicht besser sein, was für
seinen Auftritt also die besten Voraussetzungen bot.
Die vor Robert
Görls Act auftretende Gruppe räumte dann ihr Equipment von der
Bühne, um Platz für Görls Instrumentarium zu machen, doch
das war gar nicht nötig. Denn Monsieur Görl nahm die
den Künstlern
verfügbare Bühne gar nicht ein, sondern plazierte sich dezent
direkt neben dem DJ Booth. Das einzige, was man an Equipment zu sehen bekam,
war schlicht und einfach ein Laptop und ein Mikrofon. Denn Robert Görl
ist nicht nur Minimalist, sondern seit einiger Zeit auch zunehmend an digitalen
Musikproduktionsweisen
orientiert. Der Laptop vereint genau diese beiden Richtungen.
Schließlich
begann der Gig. Einigen Gästen konnte man gleich bei Einsetzen der
Musik die Frage in ihrem Gesicht ablesen, wo denn plötzlich
dieser gewaltige Tech-Sound herkommt. Daraufhin war ein Strömen in
Richtung DJ Booth unverkennbar. Die Mischung aus Hölle und Housefloor-Dancing
schien ganz offensichtlich eine sehr magnetische Wirkung auf das Publikum
auszuüben.
Im Club kam
nun Bewegung auf. Von Robert Görl hingegen war überhaupt nichts
mehr zu sehen, da die Fotografen die vorderen Plätze offensichtlich
ganz für sich gepachtet hatten! Wenig später konnte ich
(mitten im
Gedränge um jeden Zentimeter Raum ringend) Robert Görls Stimme
aus dem Sound heraushören und fragte mich, ob er denn ein außergewöhnlich
gut klingendes Effekt-Gerät verwendet oder von Natur aus eine Gesangsstimme
hat, die wie eine Mischung aus Hölle und verführerischer Romantik
klingt? Noch bevor ich die Frage eindeutig beantworten konnte, war das
Konzert bereits wieder vorbei. Die dreissig Minuten waren abgelaufen, der
Auftretende trat wieder ab. Angeblich, so sagte man mir später, würde
generell keiner in diesem Club länger als eine halbe Stunde auftreten
dürfen. Als ich mich nach Konzertende etwas näher zur Bühne
heranbewegen wollte, erkannte ich sofort die Aussichtslosigkeit meines
Unterfangens: Monsieur Görl wurde von einem Pulk seiner Fans
umgeben, durch die es kein Durchkommen gab.
Zwei Tage später
trat Robert Görl im "Glitz Club" auf. Diese Lokation war allerdings
nicht ganz so gefüllt wie diejenige, in der das erste Konzert stattfand,
was mir aufgrund der Platzenge im "Being Boiled" sogar sehr willkommen
war. Robert Görl trat diesmal mitten auf einer Bühne und zudem
vor dem Hintergrund an die Wand gebeamter, ziemlich spektakulärer
techno-halluzinogener Visionen auf. Der Minimalist Görl zeigte sich
ganz in schwarz und verzichtete auf jegliche Schnörkel. Der Laptop
auf einer sonst völlig leeren Bühne verlieh dem dezenten, minimalistischen
Stil noch zusätzliche Wirkung. Daß bei einer solchen "One Man
Show" Playback-Gefühle aufkommen, dürfte im übrigen eigentlich
selbstverständlich sein.
Auch in dieser
zweiten Nacht zelebrierte Robert Görl seine elektronische Symphonie
mit der kontrollierten Art eines Lap-Top-Piloten, der die Gäste seines
(Sound-)Fliegers mit sicheren Steuerbewegungen
lustvoll in
den siebten Himmel transportiert. Eine Mischung aus High-Tech-Schamane
und Soundbord-Commander.
Den Höhepunkt
seiner London-Tour bildete Görls dritter Auftritt. "Monsta Bar" nannte
sich der Club, in dem dieses letzte Konzert stattfand.Görls elektronische
Symhonie wurde nun tatsächlich auch noch in einer Rocker-Bar aufgeführt.
Da versteht es sich eigentlich fast von selbst, daß der Laptop auf
einem Jack Daniels-Whisky-Karton plaziert wurde und Mister Görl auf
gleicher Höhe mit dem Publikum stand. Bei der Begegnung zwischen Rockern
und technoider Musik nicht gerade selbstverständlich, tanzte das Publikum
von der ersten bis zur letzten Minute und als der Gig beendet war, gab
es eine Art Standing Ovations von zwei Dutzend der anwesenden Rocker.
Obwohl ich
selten mit Rockern denselben Grund zur Begeisterung teile, waren wir uns
an diesem Abend, was unsere Gefühle anbelangte, völlig einig.
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